20 Jahre Kinderhospizarbeit in Unterfranken: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Georg Bischof ist seit 2006 bei den Maltesern in Unterfranken als Diözesanreferent Hospizarbeit und Kinderhospizarbeit tätig. Der 52-jährige gelernte Kinderkrankenpfleger und studierte Pflegemanager erklärt im Interview mit Christina Gold, warum es so wichtig ist, sterbende und trauernde Kinder und Jugendliche gut zu begleiten.

Georg Bischof ist seit 2006 bei den Maltesern in Unterfranken als Diözesanreferent Hospizarbeit und Kinderhospizarbeit tätig. Der 52-jährige gelernte Kinderkrankenpfleger und studierte Pflegemanager erklärt im Interview mit Christina Gold, warum es so wichtig ist, sterbende und trauernde Kinder und Jugendliche gut zu begleiten.

 

Gold: Seit wann und warum gibt es bei den Maltesern in Unterfranken Kinderhospizarbeit?

Bischof: Anfang 2003 erhielt eine unserer Hospizbegleiterinnen erstmals eine Anfrage für die Begleitung und Unterstützung von Familien mit betroffenen Kindern. Dabei hat sie dann gemerkt, dass sie manchmal rat- und hilflos vor der Situation stand. Diese Ehrenamtliche hat sich dann sehr dafür eingesetzt, dass es bei uns Fortbildungsangebote für die Begleitung von Kindern und Jugendlichen gab. In diesem Jahr haben wir dann erstmals Fortbildungen zum Thema Hospizarbeit bei Kindern und Jugendlichen angeboten. Daraus ist letztlich unsere Kinder- und Jugendhospizarbeit entstanden.

 

Warum braucht man für die Begleitung von Kindern und Jugendlichen noch einen extra Aufbaukurs?

Dafür gibt es viele gute Gründe: Kinder und Jugendliche sind grundsätzlich keine kleinen Erwachsenen. Von daher macht es Sinn, sich als Hospizbegleiterin oder -begleiter mit dem Erleben der Gefühlswelt von Kindern auseinanderzusetzen. Die Krankheiten, die betroffene Kinder bzw. Jugendliche haben, sind außerdem oft ganz andere als im Erwachsenenalter. Es kommt also vor, dass Kinder und Jugendlichen – im Gegensatz zu sterbenden Erwachsenen - über viele Jahre begleitet werden, wenn sie zum Beispiel von einer lebenszeitverkürzenden Stoffwechselerkrankung betroffen sind oder einer Krebserkrankung. Dabei haben wir das gesamte Familiensystem im Blick und begleiten auch immer irgendwie die betroffenen Eltern oder Geschwister. Darüber hinaus werden wir vom Leid von Kindern/Jugendlichen oft „mehr“ berührt und daher ist in dem Aufbaumodul die intensive persönliche Auseinandersetzung der Ehrenamtlichen mit diesem Thema sehr wichtig.

 

Was sollten Ehrenamtliche mitbringen, wenn sie sich in dem Bereich engagieren möchten – ist eine besondere Belastbarkeit erforderlich?

Ehrenamtliche im Kinder-/Jugendhospizdienst benötigen grundsätzlich nichts anderes als Hospizbegleiter für Erwachsene. Es geht in beiden Bereichen vor allem ums Aushalten von Situationen, das Respektieren und Tolerieren der jeweiligen Lebensumstände. Aber das letztere ist meiner Meinung nach durchaus ausgeprägter als im Erwachsenenbereich.

 

Hat sich die Kinderhospizarbeit der Malteser in Unterfranken in den letzten Jahren verändert? Gibt es neue/andere Schwerpunkte?

Zum einen gibt es durch den Kontakt über das Malteser Kinderpalliativteam Unterfranken seit etwa fünf Jahren wesentlich mehr Anfragen und Einsätze in den großen Würzburger Einrichtungen für Kinder mit Behinderung wie dem Körperbehindertenzentrum oder dem Blindeninstitut. Zum anderen hat sich vor allem die Trauerarbeit für Kinder in den letzten Jahren sehr stark erweitert. Wir begleiten viel mehr trauernde als sterbende Kinder.

 

Es gibt viele Trauergruppen für Kinder und Jugendliche – warum?

Ich habe den Eindruck, dass der Umgang mit dem Thema Trauer immer noch ein Tabuthema ist. Viele Eltern fragen in einer Trauersituation bei uns an, ob sich ihr Kind denn „richtig“ verhalte. Es besteht dabei oft die Angst, dass etwas „verpasst“ wird, und die Eltern trauen sich nicht, mit ihren Kindern über die Trauer zu sprechen. Wir bekommen tatsächlich oft zu hören, dass wir ja die "Experten“ sind, die wissen wie es geht, wie man „richtig trauert". Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie können von einem Moment auf den anderen unendlich traurig sein und dann wieder herzlich lachen. Das ist einer der Gründe, warum sie in ihrer Trauer manchmal nicht wahrgenommen werden. Ein anderer ist, dass die betroffenen Erwachsenen selber in ihrer Trauer verfangen sind und sich nicht auch noch um das trauernde Kind kümmern können. Im Gegenteil: oft glauben Kinder sogar, sie müssten ihr trauerndes Elternteil trösten und stark sein. Da ist es dann sehr hilfreich, sich mit ebenfalls betroffenen Gleichaltrigen in einer Gruppe austauschen zu können.

 

Auffällig ist, dass es im Vergleich zu Trauergruppen für Erwachsene im Kinderbereich mehr tiergestützte Trauergruppen gibt – was ist das Besondere dabei?

Über unser Angebot der tiergestützten Trauergruppen bekommen wir einen leichteren Zugang zu Kindern und Jugendlichen. Sowas ist einfach attraktiver. Für die Kinder wiederum ist es toll zu erfahren, dass Tiere den Schmerz und das Leid aushalten. Sie bewerten nicht, geben Halt und Unterstützung, strahlen Wärme, Kraft und Stärke aus.

 

Wer kann sich an die Malteser wenden?

Alle, die mit Kindern/Jugendlichen zu tun haben, die von Tod, Sterben, Trauer betroffen sind, können sie jederzeit an uns wenden: Eltern, aber auch Kinderärzte, Lehrkräfte und Erzieherinnen oder Pflegekräfte aus Krankenhäusern und Einrichtungen. Ältere Jugendliche können natürlich auch selber mit uns Kontakt aufnehmen.

 

Mit wem arbeiten Sie in diesem Bereich zusammen?

Wir arbeiten mit allen Einrichtungen zusammen, in denen Kinder und Jugendliche mit dem Themenkomplex „Tod, Sterben, Trauer“ konfrontiert sind. Das kann die Kinderklinik, eine Einrichtung für Kinder oder Jugendliche mit Behinderung sein, aber auch eine Schule oder Kindertagesstätte sein. Hier sind es dann vor allem die trauernden Kinder, die einer Erzieherin oder Lehrkraft auffallen. Und selbstverständlich gibt es eine ganz enge Kooperation mit unserem Malteser Kinderpalliativteam Unterfranken.

 

Gibt es eine Begleitung, die Ihnen persönlich besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Vor etwa einem Jahr hatten wir eine Erstanfrage für einen Jungen in einer Einrichtung für Kinder mit Behinderung. Dieser Junge war sehr aktiv und zeigte teils (selbst)aggressives Verhalten. Die Ehrenamtliche, die beim Erstkontakt dabei war, baute schon während dieses Besuchs eine dermaßen positive Atmosphäre auf, dass sie mit „Kusshänden“ verabschiedet wurde. Das hat mich sehr berührt.  

 

Zahlen Daten Fakten:
Seit 2003 haben mehr als 100 Ehrenamtliche die Aufbaumodule „Kinderhospizarbeit“ absolviert. Davon sind im Moment 25 Helferinnen und Helfer aktiv in einer Begleitung bzw. in der Leitung einer Trauergruppe. Derzeit gibt es zwölf Sterbebegleitungen und etwa 45 trauernde Kinder/Jugendliche, die die Malteser einzeln oder in Gruppen begleiten. Es gibt in Unterfranken fünf Trauergruppen für Kinder/Jugendliche, davon sind vier tiergestützt.


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