Würzburg. Im „Sommer der Migration“ 2015 errichteten die Malteser Würzburg für die vielen ankommenden geflüchteten Menschen Notunterkünfte, begleiteten Züge und bauten erste persönliche Kontakte auf. „Wir konnten mit unseren Katastrophenschutzhelferinnen und -helfern gut die menschlichen Grundbedürfnisse „Nahrung, Schlafen, Wärme, Obdach“ stillen“, erzählt Joachim Gold, ehrenamtlicher Stadtbeauftragter rückblickend. Aber dann war klar, dass „wir in eine zweite Phase der Integration eintreten und mit viel Zeit und Geduld und dem direkten Kontakt mit den Menschen Bedürfnissen wie „Sicherheit und Bindung, Selbstbestimmung und Selbstwertgefühl“ Rechnung tragen wollten.“, ergänzt Barbara Griesbach, Leiterin des Malteser Integrationsdienst, der im Juni 2016 gegründet wurde und leider coronabedingt sein fünfjähriges Bestehen nicht wirklich feiern konnte.
Dabei gibt es einiges, worauf die Malteser stolz sein können. Barbara Griesbach kam selber über ihr Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe zu den Maltesern und begann, den Integrationsdienst zusammen mit einem Dutzend Ehrenamtlicher zu strukturieren und auszurichten. Unter dem Leitsatz „voneinander lernen, miteinander leben“ engagieren sich heute rund 100 Ehrenamtlichen aller Altersgruppen und verschiedener Herkunftsländer. Rund 40 Projekte und Angebote – manche davon einmalig, viele langfristig, einige als Einzelangebot, andere als Gruppenaktivität, manche sportlicher, andere geselliger Natur – unterstützten seither Geflüchtete bei ihrem Ankommen in Würzburg. Wie dies gut gelingen kann, zeigt das Beispiel von Martin Salzl. Der 68-jährige ehemalige Vermessungsingenieur wollte nach dem Arbeitsleben etwas Sinnvolles tun, nach all der Technik im Beruf sich für Menschen einbringen. Er ist ein Ehrenamtlicher der ersten Stunde und begleitet seitdem einzelne Geflüchtete. „Da muss die Chemie stimmen“, erzählt er. Derzeit unterstützt er einen geflüchteten Syrer hauptsächlich bei Behördengängen oder bei der Formulierung von offiziellen Briefen. Einem jungen Afrikaner, der als Jugendlicher ohne seine Familie nach Deutschland geflüchtet ist, hilft er, erste Schritte in die Erwachsenenwelt zu gehen. „Eigentlich bräuchte er seine Familie hier, die ihm noch mal anders Halt geben könnten“, bedauert der Höchberger: „Ich kann und will ihm ja nicht den Vater ersetzen.“ Das Ganze sei manchmal schon kräftezehrend, aber auch so bereichernd und man fühle sich gut dabei. Man könne konkret helfen. Das bestätigt auch Inka Hemmerich. Die 38-jährige Lehrerin ist seit letztem Jahr beim Integrationsdienst dabei. „Nach mehreren Berufsjahren im Ausland wollte ich erst einmal eine große Reise machen“, erzählt sie. Die Reise fiel pandemiebedingt aus, die Würzburgerin suchte nach Beschäftigung („engagiert war ich schon immer“). Sie fand sie – auch inspiriert durch die eigene Auslandserfahrung - im Projekt „Integration durch Sprache“, deren ehrenamtliche Leitung sie gleich übernahm. „Wir waren zu Hochzeiten fast 60 Ehrenamtliche, die als Sprachtandems oder in der Online-Lernunterstützung tätig waren und teilweise immer sind.“ Die erwachsenen Sprachtandems zueinander zu bringen sowie die passenden Online-Partner für die Lernunterstützung für Erst- oder auch Zehntklässler, war dabei die große Herausforderung. Aber Sprache ist ein Schlüssel zur Integration, darin sind sich alle Beteiligten einig.
Harutyun Avetisov ist mit seiner Frau und seinem schwerstkranken Kind vor mehreren Jahren aus Armenien geflüchtet – ohne Deutschkenntnisse, in großer Sorge um sein Kind. Ruhig und bedacht erzählt er in fast fehler- und akzentlosem Deutsch von seiner Flucht, von der Ankunft in Deutschland, von der herzlichen und warmherzigen Unterstützung, die er zu Beginn durch die Gemeinschaft Sant’Egidio erfahren durfte und davon, dass er „all das Gute zurückgeben möchte“. Deshalb ist er bei den Maltesern und leitet zusammen mit einem syrischen Freund ehrenamtlich die Office-Kurse, ein niederschwelliges Angebot für Geflüchtete, die noch nicht mit Computern in Berührung gekommen sind. Außerdem engagiert er sich im Corona-Einkaufsdienst der Malteser - neben seiner Ausbildung zum Masseur, die er gerade absolviert. Als ob das noch nicht genug wäre, ist er auch noch wichtiges Mitglied im Arbeitskreis „Auf Augenhöhe“, der 2019 gegründet wurde. „Mir wurde auf einmal sehr klar, dass wir zwingend mit den Betroffenen reden müssen und nicht nur über sie und ihre Bedürfnisse“, erklärt Barbara Griesbach. Nun trifft sich dieser Arbeitskreis mit seinen zehn Mitgliedern aus verschiedenen Ländern regelmäßig, um über neue Bedarfe und Angebote sowie deren Methoden und Umsetzung zu sprechen. „Es tut gut, wenn unsere Stimme gehört wird und wir wiederum Multiplikatoren in unserem Umfeld sein können“, sagt Avetisov überzeugt. Ob er selbst allerdings in Deutschland bleiben darf, ist noch ungewiss. Trotz offenbar sehr geglückter Integration.